(Interview von Janne Prager mit Sporttherapeut Simon Elmers aus dem Schmetterling März 2022)

Janne Prager ist ehemalige Patientin des Kinderkrebs-Zentrums Hamburg. Im Alter von sechs Jahren erkrankte sie an einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL), mit 13 an einem Rezidiv. Heute ist sie gesund. Die 27-jährige studiert Rehabilitations-Psychologie, wohnt seit kurzem am Rande Hamburgs und möchte später als Psychologin im Leistungssport-Bereich arbeiten. Für den Schmetterling stellt Janne in jeder Ausgabe ein Förderprojekt von uns vor und interviewt Menschen, die sich stark machen im Kampf gegen Krebs im Kindesalter. In der Ausgabe vom März 2022 ging es los mit der seit 2020 von uns finanzierten Sporttherapie. Neben der medizinischen Behandlung sind psychosoziale Hilfen unerlässlich und schaffen ein Umfeld, dass die Heilung fördert, die Kinder und ihre Eltern unterstützt und Bewältigungsstrategien für die Erkrankung schafft. Die Sport- und Bewegungstherapie ermöglicht die individuelle Förderung der motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Patienten auf Station.

Heute muss ich früh raus, denn ich treffe Simon Elmers, den Sporttherapeuten am Kinderkrebs-Zentrum Hamburg. Wir sind im Eppendorfer Park verabredet. Im Auto mache ich mir Gedanken, ob ich auch gut genug vorbereitet bin: Sporttherapie ist ein interessantes und neues Thema. Ich selbst habe mich im Rahmen meines Psychologiestudiums schon mit Sporttherapie beschäftigt, allerdings weniger mit Therapiebegleitung, deswegen freue ich mich sehr, mehr über dieses Förderprojekt der Fördergemeinschaft im Bereich der Psychosozialen Hilfen zu erfahren. Simon steht schon am Eingang gegenüber dem Kinder-UKE und wartet. Gerne hätte ich ihn bei seiner Arbeit begleitet, leider lässt das die aktuelle Corona-Pandemie Situation nicht zu. Wir beschließen, einen kurzen Spaziergang zu machen, um bei unserem Gespräch nicht einzufrieren. Als erstes erzählt mir Simon von seinem Weg in die Sporttherapie: Nach dem Abitur hat er den einen oder anderen Umweg genommen, um herauszufinden, was seine wirkliche Passion ist. Ich kann das gut nachvollziehen. Wer weiß nach der Schule schon direkt, wohin es einen treibt? Vermutlich die Wenigsten. Die Affinität zum Sport war bei Simon schon immer vorhanden. In Hamburg studierte er Bewegungswissenschaften und machte dort zunächst seinen Bachelor und im Anschluss seinen Master in Sport- und Bewegungswissenschaften. Im Studium interessierte er sich besonders für die Trainingswissenschaften und den sportmedizinischen Bereich. Über einen Dozenten, der zu dem Zeitpunkt Leiter der Sportmedizin war, ist Simon ans UKE gekommen. Simon erzählt mir, dass er über das Universitäre Cancer Center Hamburg auf die Kinder-Onkologie aufmerksam geworden ist und festgestellt hat, dass es dort an sporttherapeutischer Versorgung mangelt. Über eine Nachlassspende konnte Simon zusammen mit Herrn Dieter Linhart vom psychosozialen Dienst des Kinderkrebs-Zentrums das Projekt Bewegungstherapie Ende 2018 zunächst für etwas mehr als ein Jahr starten. Das Projekt hat sich schnell etabliert und wurde von den Kindern sehr gut angenommen. Dank der Fördergemeinschaft kann dieses Angebot nun seit Anfang 2020 weiter finanziert werden und 2022 sogar erweitert werden: Simon kann durch die finanzielle Förderung der Fördergemeinschaft neben den Kindern auf der Station zukünftig auch die Kinder und Jugendlichen in der Ambulanz und in der Nachsorge unterstützen und begleiten.

Ich möchte mehr darüber erfahren, wie Simons Arbeit konkret aussieht. Simon steht in enger Verbindung mit der Station und guckt als erstes, welche Kinder aktuell auf Station sind und für sein Angebot in Frage kommen. Leider kann er aktuell aufgrund der Corona-Situation nicht einfach jedes Zimmer besuchen und sich vorstellen. Er prüft zunächst genau, in welcher medizinischen Situation sich das Kind befindet und passt seine Bewegungsangebote individuell an: von Spielen mit einem Ball oder einem Ballon aus dem Bett heraus bis hin zu schwierigen Sport-Spielen auf den – von der Fördergemeinschaft finanzierten – Nintendo Switch-Konsolen ist alles dabei. Gerne bezieht er dabei die Eltern der Kinder und Jugendlichen mit ein. So kann er schnell ein Vertrauensverhältnis zu den Familien aufbauen. Rücksicht nimmt er auf die Tagesform des Kindes und die Interessen: „Ist das Kind eine Reiterin, dann kann ich wahrscheinlich nicht mit einem Fußball glänzen oder hat das Kind vor der Diagnose Handball gespielt, dann brauche ich nicht mit einem Fahrrad zu kommen. Es gibt nichts, was ich bisher nicht gemacht habe. Ich habe kein Schema-F, mein Vorgehen ist immer patientenorientiert und individuell.“ Das Angebot kann sich somit von fünf Minuten bis 1 ½ Stunden erstrecken. Auch für Fragen der Eltern findet Simon immer Zeit.

Nachdem ich mehr über Simons Arbeit und Vorgehensweise erfahren habe, interessiert mich, welche positiven Aspekte die Sporttherapie mit sich bringt. Natürlich weiß ich, dass Bewegung und Sport für alle Menschen wichtig sind, unabhängig davon, ob gesund oder krank, um den Gesundheitszustand zu erhalten oder zu verbessern. Aber wie wichtig ist Sporttherapie während einer Krebsbehandlung?

Simon erklärt, dass durch Studien belegt wurde, dass sich mehr als die Hälfte der Kinder während einer stationären Therapie eigentlich gar nicht bewegen. Dabei wird eine Stunde außerhalb des Bettes so gut wie nie überschritten. Dauerhaftes Liegen und Sitzen führt nicht nur zu einer Rückbildung jeglicher Muskeln, sondern es verkürzen sich die Sehnen, Schmerzen, z. B. in den Knien, treten auf, und schwerwiegende, langhaltige Schäden können folgen. Auch psychische Auswirkungen wie Fatigue (chronische Erschöpfung), Lust- und Antriebslosigkeit, um nur einige zu nennen, sind nicht zu unterschätzen. Alle diese Auswirkungen von mangelnder Bewegung sind durch Studien belegt und können nachweislich durch Sport und Bewegung vorgebeugt oder behandelt werden. „Dank der Unterstützung der Fördergemeinschaft kann die Sporttherapie nun noch mehr Kindern auf der Station angeboten werden. Mein Ziel ist es, dass irgendwann jedes Kind, welches die Sporttherapie wahrnehmen möchte und sollte, dies tun kann. An diesem Ziel arbeiten wir beharrlich.“

Die Fördergemeinschaft übernimmt mit ihren Förderprojekten dabei gerne die Rolle des Zugpferdes, das den Anschub gibt, wichtige Projekte wie die Sporttherapie durch Spenden anzukurbeln, bis diese hoffentlich Teil der Regelfinanzierung werden. Ich bin dankbar über diesen Einblick in ein so wichtiges Thema und freue mich Simons Arbeit weiter zu verfolgen. __Janne Prager für den Schmetterling März 2022.