Dieser Satz wurde eine Art Leitfaden meines Lebens und hilft mir Vergangenes zu verstehen und zu akzeptieren, mich auf die Zukunft zu konzentrieren und optimistisch durchs Leben zu gehen.

Es war vor fast 12 Jahren, um genau zu sein, am Tag meiner Einschulung, ein Tag, welcher eigentlich einer der schönsten und spannendsten meines Lebens sein sollte, aber leider kam dann alles ganz anders. Ich trug zwar voller Stolz meine Marienkäferschultüte und wollte dieses Ereignis in vollen Zügen genießen, aber innerlich ging es mir sehr schlecht. Ich erinnere mich an starke Schmerzen und dann befand ich mich auch schon im Krankenhaus. Schon über ein Jahr zuvor hatte ich eine seltsame Beule am Bauch, die vermutlich als Warnsignal galt, aber von keinem der vielen Ärzte, die wir aufsuchten, als etwas Gefährliches wahrgenommen wurde. Im UKE wurde ein Ultraschall meines Bauches gemacht, ein Lungenröntgen sowie eine Blutabnahme durchgeführt und alles, was dazu gehört. Sofort fühlte ich mich im UKE auf der Kinderonkologie wohl behütet und liebevoll aufgenommen. Als eine Biopsie von dem Gewebe entnommen wurde, erhielten wir die Diagnose: Keimzelltumor mit einem Anteil eines Nephroblastoms im Bauch sowie Metastasen auf der Lunge. Natürlich konnte ich, mit gerade mal sechs Jahren, nur wenig mit diesem Befund anfangen, also stellte mir vor, dass der böse Krebs, der in mir die Schmerzen auslöste, einfach eine kleine Krabbe sei, die bei mir zu Besuch war und rumwütete. Diese Vorstellung erleichterte mir die Situation und nahm mir die Angst.

Schnell freundete ich mich mit den Kindern auf der Kinderkrebsstation im UKE an. Aufgrund des Haarverlusts durch die Chemo fühlte ich mich wie eine Eingeweihte, die Mitglied eines ganz besonderen Clubs war, in dem wir alle zusammen anders sein konnten. Die anderen Kinder beeindruckten mich sehr und es fiel mir immer leichter, Veränderungen zu akzeptieren. Besonders Angst hatte ich vor dem Port, da er mir so unglaublich fremd erschien. Dennoch merkte ich schnell, wie hilfreich er war und später wurde er sogar ein guter Freund von mir. Während meiner Aufenthalte im UKE durfte ich ganz besondere Menschen, wie zum Beispiel Pölli den Klinkclown kennenlernen. Ich erlebte mit ihr zusammen viele Abenteuer, welche ich als wundervolle Erinnerungen für immer in meinem Herzen einschließen werde. Aufgrund Pöllis außergewöhnlicher Art lernte ich jeden Tag etwas mehr, dass es in Ordnung ist, anders zu sein. Nachdem ich die Chemotherapie abgeschlossen und eine sechsstündige Operation hinter mich gebracht hatte, war ich endlich gesund. Die Therapie dauerte insgesamt ein Jahr und im Anschluss daran fuhren meine Mutter und ich in die Reha Katherinenhöhe im Schwarzwald und konnten dort die schöne, mit Schnee bedeckte Landschaft sowie die Gesellschaft besonderer Menschen genießen.

Leider hielt die Freude nur kurz an, da ein Rezidiv festgestellt wurde. Auch wenn sich meine Eltern unglaublich große Sorgen um mich gemacht haben und die Zeit während unseres Reha Aufenthalts folglich sehr nervenaufreibend war, konnte ich trotzdem viele schöne Erinnerungen sammeln, welche ich gegen nichts eintauschen möchte. Dort lernte ich auch Thede kennen. Schon damals hatten wir viel Spaß zusammen und konnten die Freundschaft bis heute aufrechterhalten. Durch unsere ähnlichen Erfahrungen können wir uns gut über das Thema Krebs und das Anderssein austauschen, was uns beiden sehr hilft, das Geschehene zu verarbeiten. Während meiner zweiten Therapiezeit wurde ich wieder über sechs Stunden lang operiert und musste erneut mit einer Chemo behandelt werden. Die lange Ungewissheit während der Operationen war für meine Eltern besonders schrecklich und nervenaufreibend.

Später zeigte sich, dass der Krebs schwieriger und gefährlicher war als zu Beginn angenommen, weshalb ich mich zusätzlich einer Stammzellentransplantation und Strahlentherapie unterziehen musste. In dieser Zeit bastelte und malte ich ganz viel mit meiner Mutter zusammen. Wir lachten viel und schon damals war sie meine wichtigste Ansprechpartnerin. Mit ihrer positiven, lustigen und kreativen Art half sie mir in dieser anstrengenden Zeit, ganz viel Kraft und Mut zu sammeln, was mich jeden Tag aufs Neue zum Kämpfen motivierte.  Sie ist meine Mutter und meine beste Freundin zugleich. Mein Vater besuchte uns fast jeden Tag im Krankenhaus und brachte immer viel Liebe, Spielzeug und Essen mit. Auch wenn ich das Essen wegen meiner starken und anhaltenden Übelkeit nie bei mir behalten konnte, gab er nie auf und brachte immer wieder etwas mit. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass er immer leise betete, wenn er kam. Damals konnte ich das noch nicht verstehen, aber es bereitete mir ein behütetes und schönes Gefühl.

Meine Eltern haben mir jeden Tag gezeigt, dass ich gut bin, wie ich bin und es auch toll sein kann, besonders zu sein. In dieser schweren Zeit standen auch meine Familie und unsere besten Freunde immer an unserer Seite. Sie besuchten uns, so oft es nur ging, im Krankenhaus und brachten stets Zuversicht und Spaß mit, was uns viel Kraft schenkte.

Jetzt bin ich 18 Jahre alt und werde im Sommer mein Abitur mit dem Schwerpunkt Gesundheit und Pflege, absolvieren. In meiner Freizeit zeichne und bastle ich immer noch gerne. Ich genieße es, Zeit in der Natur zu verbringen und bin außerdem Rollkunstläuferin. Nach meinem Abitur werde ich eine Ausbildung zur Zahntechnikerin absolvieren und anschließend Zahnmedizin studieren. Ich möchte Menschen helfen, ihr Lachen wiederzufinden, da Freude und Optimismus sehr wichtig sind und man schwere Zeiten mit einer positiven Lebenseinstellung besser überstehen kann.

Letztes Jahr wurde mir mein damaliger Herzenswunsch, welcher jedem Kind nach/ während der Behandlung erfüllt wird, nachträglich von meinen Eltern erfüllt. Aufgrund meines Rezidivs konnte mein Wunsch damals nicht richtig erfüllt werden, aber letzten Sommer fuhren meine Mutter und ich endlich nach Schweden und ich durfte meinen Kindheitshelden Pippi Langstrumpf, den Kindern aus Bullerbü und vielen mehr näher denn je sein. Dieses Abenteuer war in gewisser Weise ein Abschluss für mich, welcher mir ein Gefühl von Freiheit verschaffte.

Aufgrund meiner Erfahrungen und meiner sehr optimistischen sowie lebensfrohen Art wollte ich schon immer anderen Menschen helfen. Ich habe den Wunsch, als Mentorin tätig zu sein und möchte Kinder/ Jugendliche und deren Familien motivieren, an sich und das Unmögliche zu glauben, ihnen Trost spenden, ihnen zuhören und eine Ansprechpartnerin für sie sein. Im Laufe meines bisherigen Lebens hatte ich schon immer das Gefühl, mit anderen Menschen über das Thema Krebs sprechen zu wollen und sie aufzuklären. Unter anderem ist es für mich wichtig zu vermitteln, dass die Diagnose Krebs nicht immer ein Todesurteil sein muss, da enorme Fortschritte in der Krebsforschung gemacht worden sind. Für mich ist es von großer Bedeutung, dass Menschen sich trauen, ihre Ängste und Sorgen auszusprechen, um dann besser mit diesem schwierigen und höchst emotionalen Thema umgehen zu können. Durch meine Lebensgeschichte möchte ich andere unterstützen und meine Erfahrungen positiv, für andere, nutzen. Dennoch war und ist es auch für mich nicht immer leicht, mit meiner Vergangenheit umzugehen. Es gibt viele Sorgen und Ängste, die mich vermutlich mein Leben lang begleiten werden. Besonders schwer war es zu akzeptieren, dass ich anders als viele andere Kinder/ Jugendliche in meinem Alter bin. Bei Außenstehenden traf ich oft auf Unverständnis, da sie sich vermutlich nicht gut vorstellen konnten, was es bedeutet, so eine Erkrankung zu haben. Trotz alledem war diese gesamte Zeit unglaublich bereichernd und schön für uns. Wir alle konnten uns selbst besser kennenlernen und wichtige Erfahrungen sammeln sowie Ansichten ändern oder festigen. Ich habe gelernt, meine äußerlichen wie innerlichen Narben zu akzeptieren und sie sogar zu schätzen. Sehr stolz bin ich darauf, so erstaunliche Menschen kennengelernt zu haben und Freunde fürs Leben gefunden zu haben. Auch wenn das Leben nicht immer so verläuft, wie man es sich vorgestellt hat, sollte man das Beste daraus machen und es in vollen Zügen genießen. Ich habe den Krebs besiegt und durfte und darf erwachsen werden! Anfang dieses Jahres hatte ich meine vorletzte Nachsorgeuntersuchung in der Kinderhämatologie. Das bedeutet natürlich, dass es bald heißt, Abschied von dem tollen Ärzte- und Pfelgeteam zu nehmen. Besonders schwer wird es sein, sich von dem liebenswerten Herrn Dr. Kordes und der herzlichen Schwester Ulli zu verabschieden. Sie begleiteten mich und meine Familie über einen so langen Zeitraum und wir fühlten uns bei ihnen stets liebevoll und gut aufgenommen. Folglich ist es auch traurig, dass wir die Kinderhämatologie nun bald verlassen müssen, aber wir werden das Erlebte nie vergessen und dem tollen sowie bewundernswerten Pflege- und Ärzteteam für immer sehr dankbar sein. In dieser außergewöhnlichen Situation gaben sie mir nicht nur Medizin, sondern auch Halt und Hoffnung. Sie zeigten mir, dass es in Ordnung ist, anders zu sein.

Erfahrungsbericht von Rima Sabra, geschrieben im Februar 2021