Mit ihrer Geschichte möchten Dr. Johannes Wimmer und seine Familie anderen Betroffenen Mut machen und zeigen, dass es für jede Art des Trauerns und der Angst kleine Kniffe gibt, die einem Halt in schweren Zeiten geben.

Mit ihrer Geschichte möchten Dr. Johannes Wimmer und seine Familie anderen Betroffenen Mut machen und zeigen, dass es für jede Art des Trauerns und der Angst kleine Kniffe gibt, die einem Halt in schweren Zeiten geben

Anfang des Sommers wurde unser Leben wortwörtlich auf den Kopf gestellt. Nach nur fünf Monaten der Leichtigkeit mit unserem Sonnenschein Maximilia kam die Schockdiagnose, ein seltener und hochgradig aggressiver Hirntumor. Es folgten diverse Operationen. Wir verbrachten die heißesten Wochen des Sommers bibbernd auf der Intensivstation und nachfolgend auf der Onkologie in der Kinderuniversitätsklinik Hamburg Eppendorf. Wir fühlten uns wie auf einem nicht enden wollenden Langstreckenflug und verloren das Gefühl für Raum und Zeit. Irgendwann konnten wir die Ärzte auf dem Flur an den Klingeltönen ihrer Diensthandys unterscheiden, die Pflegekräfte an ihren kreativen Lagerungstechniken, mit denen sie Maximilia betteten, identifizieren und hatten jeden Blitzer zwischen Eppendorf und Othmarschen auf unseren nächtlichen Fahrten nach Hause beglückt.

Mehrmals innerhalb von Tagen, Stunden oder gar Minuten wechselten wir zwischen Bangen und Hoffen, Frust und Pragmatismus, Realisieren und Verdrängen. Unbarmherzig umschloss uns das Universum mit eisernem Griff. Mal wechselten wir uns als Paar ab in den Gefühlszuständen, mal liefen wir synchron. Jeder Schlauch weniger, jedes abgesetzte Medikament setzte Glücksgefühle frei, wir formulierten Schlachtrufe wie „Maximilia ist die, die es schaffen wird“ und „Unsere Kämpferin“, nur um Augenblicke später zu fürchten, dass wir zu den 85% der Familien gehören könnten, bei denen der Weg endlich ist. Dabei wurde jeder noch so knappe Satz der Ärzte auf die Goldwaage gelegt, jedes Wort in den Gesprächen zu zweit zehn Mal gewendet und gedreht. Wir gierten geradezu nach Informationen und neuen Erkenntnissen.

Von einem Tag auf den anderen wurden wir also aus unserer geliebten Familienroutine ins Ungewisse katapultiert. Tag für Tag versuchen wir uns nun an dieses neue Normal zu gewöhnen, welches uns auferzwungen wurde, und wollen an dieser Stelle einmal den Blick zurück wagen.

Zum einen möchten wir Danke sagen – Danke an die grandiosen Pflegekräfte für die Extraminute, um ein Pflaster in Herzchenform zu schneiden und uns damit zum Lachen zu bringen, Danke an die Versorgung auf Station mit der extra Portion Soße auf den Nudeln, um den Kloß im Hals loszuwerden, Danke an die Ärztinnen und Ärzte für die Sicherheit, Maximilia medizinisch in den besten Händen zu wissen. Viele dieser pragmatischen Hilfen werden ermöglicht durch das unermüdliche Engagement und die großzügigen Spenden der Fördergemeinschaft Kinderkrebs-Zentrum Hamburg e.V.

Zum anderen möchten wir mit unserer kleinen Geschichte Mut machen – Mut, dass es für jede Art des Trauerns und der Angst kleine Kniffe gibt, die einem wieder Halt geben. Mut, dass auch in schwersten Stunden für einen Augenblick Leichtigkeit herrschen kann. Die Diagnose hat uns den Boden unter den Füßen weggerissen, unser Alltag war komplett zum Stillstand gekommen. Mit kleinen Schritten kämpften wir uns zurück. Ganz bewusst griffen wir nicht Tag ein Tag aus auf dem Weg ins Krankenhausreflexartig zur Jogginghose neben dem Bett, sondern machten uns schick, für Maximilia und für uns, um dem Schicksal zu zeigen, dass wir auch nach außen Haltung zeigen konnten. Ganz bewusst nahmen wir uns die Zeit und fuhren abends nach vielen langen Stunden auf der Intensivstation noch eine Schleife über die Köhlbrandbrücke, um Luft zu holen. Fast therapeutisch half uns eine WhatsApp-Gruppe, die wir für Freunde und Familie ins Leben gerufen haben. So haben wir uns nicht im endlosen Getippe und unkontrollierbaren, sich aufwiegelnden Emotionen verloren, sondern formulierten einmal gemeinsam und bewusst den aktuellen Stand der Dinge und schickten diesen an die Menschen, die uns nahestehen. Und wenn die Emotionen einmal nicht im Gleichklang schlugen – machen wir uns nichts vor, das ist in so einer Ausnahmesituation ja quasi vorprogrammiert – gab es und gibt es immer noch ein Codewort, das uns als Paar in dieser Situation wieder an einen gemeinsamen Punkt führt, um jeden Tag aufs Neue wieder an einem Strang zu ziehen.

Mit der Zeit verschlossen sich Maximilia zunehmend Türen der Behandlungsmöglichkeiten, welche am Anfang der Erkrankung noch offen zu stehen schienen. Und so sind wir weiter Tag für Tag auf einer Reise mit Maximilia durch ihr neues Universum, von der wir wissen, dass sie in absehbarer Zeit enden wird. Auch auf diesem Weg fühlen wir uns betreut und vor allem in unseren Sorgen, Ängsten und Anliegen durch „Knack den Krebs“ verstanden und umsorgt. Wir gehen den Weg in tiefer Dankbarkeit und Verbundenheit mit den Menschen, die für uns da sind.

_ Dr. Johannes Wimmer und Familie

Rechte: Foto Links: NDR/Foto: Uwe Ernst; Foto oben: Privat