Weltweit rufen Fachorganisationen und Institutionen den September als den Monat aus, der die Öffentlichkeit für das Thema Krebs bei Kindern sensibilisieren soll und unter anderem auf den Bedarf der Forschung aufmerksam macht.

Aus diesem Grund sprachen wir mit Professor Ingo Müller über die neue Hoffnung Immuntherapien. Der Ärztlicher Leiter der Sektion Pädiatrische Stammzelltransplantation und Immunologie am Kinderkrebs-Zentrum Hamburg forscht an unserem Institut im Bereich der Stammzelltransplantation sowie an der Weiterentwicklung antikörperbasierter und zellulärer Immuntherapien.

Prof. Müller, die Stammzelltransplantation ist heute fester Bestandteil der Therapie von Hochrisikoleukämien und erreicht hier mittlerweile langfristige Heilungsraten von etwa 80%. Wo kommt das Verfahren noch zum Einsatz?

Beispielsweise bei schweren angeborenen Immundefekten, nach denen seit letztem Jahr nun auch im Neugeborenenscreening gesucht wird. Hier sind wir eines von zehn Zentren bundesweit zur diagnostischen Abklärung in unserem Labor sowie Behandlung durch Stammzelltransplantation. Ein Anteil von etwa 15% unserer Patienten leidet an einer Stoffwechselerkrankung, die durch eine Stammzelltransplantation behandelt werden kann. Insgesamt werden durchschnittlich 400 Kinder und Jugendliche jedes Jahr in Deutschland transplantiert, während es bei den Erwachsenen etwas über 3000 Patienten pro Jahr sind. Bei uns werden seit dem Umzug in das Kinder-UKE zwischen 40 und 50 Patienten jährlich transplantiert. Diese Zahlen betreffen die sogenannte allogene Stammzelltransplantation, bei der die Zellen von einem gesunden Geschwister, Elternteil oder Fremdspender übertragen werden. Darüber hinaus werden wegen Tumorerkrankungen (vor allem beim Neuroblastom) im Kinder-UKE etwa 5 bis 10 hochdosierte Chemotherapien durchgeführt, die eine autologe Stammzelltransplantation erfordern.

Hoffnung Immuntherapie. Sie forschen aktiv im Bereich innovativer Immuntherapien, bei denen es darum geht, das Immunsystem gezielt gegen Tumorzellen zu aktivieren. Wie groß schätzen Sie das Potential der neuen Immuntherapien für die pädiatrische Onkologie ein?

In der Tat ist das bereits ein wichtiger Wirkmechanismus einer allogenen Stammzelltransplantation. Aktuellen Ansätzen ist es aber gelungen, die Energie des Immunsystems auf ein für die Leukämie charakteristisches Merkmal zu bündeln. Ich sehe das ein bisschen so, als ob man Sonnenstrahlen mit einem Brennglas bündelt und auf ein einziges Ziel richtet. Es gibt umfangreiche Forschung mit ganz unterschiedlichen immunologischen Ansätzen, die alle noch die ideale Anwendung suchen. Es zeichnet sich aber schonjetzt ab, dass diese uns dem Ziel, dass wir nicht nur 80%, sondern 100% der Kinder heilen können, in mehreren Krebsarten wieder ein Schrittchen näher bringen.

Mehr über Professor Müller und seine Forschung finden Sie unter https://www.kinderkrebs-forschung.de/forschung/ag-mueller/. Im aktuellen Schmetterling gibt es das Interview in voller Länge.